Projekt Beschreibung

Der Wille einer Gesellschaft, eine Arena im Zentrum ihrer Stadt zu errichten, stellt ein großes Vorhaben dar. Klare Auswirkungen auf die zukünftige Stadtentwicklung bringen dabei ein großes Potenzial mit sich, das es zu entfalten gilt.
Daher ist es zu Beginn der Bearbeitung einer solchen Aufgabe umso wichtiger, sich mit der Geschichtlichkeit des Ortes auseinanderzusetzen, die Herkunft des Bauwerkstypus zu analysieren und einen bestmöglichen Konsens zwischen dem Bauwerk und seinem Standort zu finden.

Der Lösungsvorschlag „Pastore: Kolosseum-Vibes im Chemnitz-Swag“ gründet sich daher auf eine intensive Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte, eine eingehende Analyse des Urtypus des römischen Rundtheaters und eine Rückkopplung an das städtebauliche Potenzial des Brühl-Quartiers. Denn sucht die Stadt seit einiger Zeit nach einem tragfähigen Entwicklungskonzept für dieses Quartier.

Die ese des Entwurfs zeigt auf, wie der Bau einer Arena einen Auftakt und Ankerpunkt bilden kann, um den Stadtbaustein „in sich“ weiterzuentwickeln und nicht länger nach Anbindungsmöglichkeiten an das Zentrum zu suchen, da solche Konzepte seit Jahren scheitern.

Stadtgeschichte

Chemnitz ist geprägt von einer Geschichte, die bis 1930 einer Erfolgsstory gleicht. Die Stadt ist in ihrem mittelalterlichen Dasein gut gelegen und will zunächst nicht mehr sein als ein Handwerksstädtchen. Mit der Industrialisierung entwickelt sich aus Chemnitz eine der bedeutendsten Industriehochburgen Europas.
Mit der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg zerfällt dieses Bild der Industriehochburg zur Mitte des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal. Was folgt, ist eine Zeit, in der Chemnitz von außen immer wieder neu erfunden wird.

In der DDR beginnt ein erstes Überschreiben des noch bestehenden Stadtgrundrisses. Es kommt zum Abriss wertvoll erhaltener Bausubstanz, um der Umsetzung politisierten Städtebaus Raum zu geben. Dabei zeigt sich, wie schwierig die metaphorische Übersetzung politischer Haltung in gebaute Form ist und wie dieses Streben zu einem ständigen Umschreiben der Überschreibung führt.

Nach der Wiedervereinigung setzt sich das Überschreiben fort. Wieder wird Bestehendes entfernt, um Raum für einen neuen subjektiven Ausdruck zu schaffen.
Es ist daher wichtig dem Bestand Aufmerksamkeit zu schenken. Ihn zu achten, ja noch mehr sein Potenzial zu erkennen, um einen würdigen Umgang zu finden. Chemnitz ist zu Karl-Marx-Stadt umgeschrieben worden. Karl- Marx-Stadt wurde umgeschrieben zu Chemnitz. Es wird Zeit, dieses ständige Umschreiben zu beenden und den Text der Stadt weiterzuschreiben.

Architekturgeschichte

Nach der geschichtlichen Betrachtung der Entwicklung von Sportbauten wird deutlich, dass die römischen Amphitheater den Ursprung der konstitutiven Idee unserer zeitgenössischen Stadien und Arenen bilden. Nicht allein ihre Formgebung und Dimension machen sie zu Vorbildern, sondern vor allem ihre multifunktionale Nutzung. Noch heute lassen sich diese Typologien in Städten wie Rom, Verona, Nîmes und Arles erleben. Schon ihr nahezu zweitausendjähriges Fortbestehen bezeugt die nachhaltige Wirkkraft jener Idee der räumlichen Inszenierung kollektiver Wahrnehmung. Die antiken Arenen waren nicht nur Orte des Spektakels, sondern architektonische Verdichtungen gesellschaftlicher Öffentlichkeit.

Die Rückbindung an diesen Urtypus bietet damit nicht nur ein historisches Fundament, sondern auch einen architektonischen Orientierungspunkt für den gegenwärtigen Entwurf, der zwischen Funktionalität, Identität und gemeinschaftlicher Erfahrung zu vermitteln sucht.

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100899 I Pastore: Kolosseum Vibes im Chemnitz Swag

thésis (altgr.; = Setzung)
Mit Achtung der Stadtgeschichte und den Aufgaben der „Bauwende“ galt es im Entwurf, jedem Bauwerk seine Aufmerksamkeit zu schenken und eine Setzung zu forcieren, die den Abriss wertvoller Bausubstanz auf ein Minimum begrenzt.
Darüber hinaus zeigt die Geschichte, dass die historischen Achsen Brühl und Karl-Liebknecht-Straße nur durch einen verbindenden Raum (ehemals Antonplatz und Friedrichplatz) „in sich“ funktionieren können. Mit dem Arenavorplatz und seiner Nutzung wird darauf eine zeitgenössische Antwort gefunden.
Das Pastore, als Haus der Gemeinschaft, benötigt eine klare Anbindung und Kommunikation zum eaterplatz sowie zu den angrenzenden Häusern dieser Gemeinschaft. Deshalb orientieren sich die Gastronomie- und Kongressbereiche (betont durch einen Austritt) zu den Kunstsammlungen. Es ist nicht die dynamische Definition der Wegachse, die es an dieser Stelle braucht, sondern die statische Definition des Platzes. Erstere soll vor allem entlang der Achsen Brühl und Karl-Liebknecht-Straße erneut entwickelt werden.
Insbesondere durch die Öffnung des Erdgeschosses im Bürokomplex am Karl-Marx-Monument entsteht, neben der Zugänglichkeit über die Straße der Nationen, eine sinnhafte Schnittstelle zum Zentrum, die der Dominanz der beiden Achsen gerecht wird. Die entstehenden Flächen im Osten werden als Hofflächen mit Aufenthaltsqualität gedacht und sollen zukünftig entsprechend entwickelt werden.
Nicht zuletzt dürfen wir uns bei zeitgenössischen Bauaufgaben nicht der Ignoranz gegenüber am Ort präsenten Gegebenheiten hingeben. Die Parkgarage im westlichen Teil des Grundstücks ist fester Bestandteil der bestehenden Bausubstanz. Ihre Weiternutzung und Anbindung sind daher ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Lösungsvorschlags.

technē (altgr.; = handwerkliche Struktur)
Die handwerklich-strukturelle Umsetzung spielt insbesondere für die „nachhaltige Ästhetik“ des Bauwerks eine zentrale Rolle. Nur wenn sich ein Bauwerk über die Zeit klar als das, was es ist, lesen lässt und zugleich zeigt, dass es in enger Beziehung zur Ästhetik seines Ortes steht, kann es dauerhaft bestehen.
Das Rückbesinnen auf den Urtypus lässt sich in der Bildkraft des Bauwerks nachvollziehen. In seiner Präsenz verweist es deutlich auf Elemente seines historischen Vorbilds. In der Repräsentation artikuliert der Entwurf, durch die Tiefe seiner Fassade, zum einen eine Hinwendung zum wilhelminischen Zeitalter und zum anderen, durch sein Material, eine bewusste Positionierung im Dialog mit der Ostmoderne.
Denn unbestreitbar ist: Beide Zeitschichten haben die Chemnitzer Stadtgeschichte maßgeblich geprägt und bestimmen bis heute sichtbar die bauliche Präsenz des Ortes.

Nachhaltigkeit & Stadtentwicklung

Das ökologische Nachhaltigkeitskonzept gründet sich auf das Prinzip, den Abriss auf ein Minimum zu begrenzen und einen respektvollen Umgang mit dem Bestehenden zu finden. In den essenziellen Bestandteilen der technē des Bauwerks wird auf Stahlbeton zurückgegriffen, da dieser dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Die thermische Hülle besteht ausschließlich aus rezyklierbaren Materialien und lösbaren Verbindungen.

Ökonomische Nachhaltigkeitsfaktoren können in einem studentischen Lösungsvorschlag naturgemäß nicht vollständig quantifiziert werden. Dennoch bieten die klare Struktur und die flexibel nutzbaren Bereiche (etwa durch bewegliche Wände im Erdgeschoss für Gastronomie- und Kongressbereiche, variable Tribünenanlagen sowie eine Vielzahl an Zugängen) ein hohes Potenzial für ein breit angelegtes Betreiber*innenkonzept. Auch die Fassade zeigt einen bewussten Gestaltungsanspruch, der mit den Anforderungen eines zeitgenössisch wirtschaftlich orientierten Systems korrespondiert.

Die sozialen Nachhaltigkeitsaspekte zeigen sich insbesondere im Erhalt bestehender Bausubstanz. Anwohner*innen behalten ihr vertrautes Umfeld und Gebäude, die sich nach über fünfzig Jahren fest mit der Stadt identifizieren, bleiben erhalten. Darüber hinaus liegt im Entwurf das Potenzial, durch die Neudefinition der Ortsbestimmung auch leerstehende Substanz weiterzuentwickeln.

Im erweiterten Blick auf das gesamte Quartier offenbart sich eine Entwicklungsstrategie, die im Sinne der Geschichtlichkeit der Stadt wirkt und diese von hier aus bewusst weiterschreibt.

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